Im Januar 1997 ereilte dem BiVfL mit einem Unfall seines Vereinsbusses ein Rückschlag. Beim Rücktransport von einer Ausbildungsfahrt erlitt das Fahrzeug auf eisglatter Straße Totalschaden, und einige Mitfahrer zogen sich Knochenbrüche und Prellungen zu. Dank der Hilfe des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt, durch Gewährung eines zinslosen Darlehens an den BiVfL, war ein Fahrzeugersatz mit dem Gebrauchtkauf eines Mercedes Transporters MB 100 bald beschafft; der Heilungsprozess der Versehrten dauerte länger.
Die Ballonsportgruppe Stuttgart hatte zum 15. März erstmals zum Linde-Wasen-Cup eingeladen. Das Bitterfelder Team Göhrmann / Schmöhl nahm teil und belegte von 8 Mannschaften den 3. Platz.
Mit Eröffnung der 6. Richard-Schütze-Wettfahrt, am 01. Mai 1997, wurde vom Bitterfelder Verein für Luftfahrt ein neues Leistungsabzeichen im Gasballonsport ins Leben gerufen. Der Wettbewerb trägt den Namen Bitterfelder Kette und ist ein Streckenwettbewerb. Bereits zwei Tage später sollte der neue Leistungswettbewerb seine ersten 10 bronzenen Kettenglieder erhalten.
Am Rand eines zum Balkan abziehenden Hochdruckgebietes und einer von Skandinavien heranziehenden Kaltfront wurde die 6. Richard-Schütze-Wettfahrt am Abend des 2. Mai, bei besten Wetterbedingungen, gestartet. Die Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes Leipzig prophezeiten weite Fahrten in Richtung Südosten nach Ungarn, mit flotten Winden aus West bis Nordwest, je nach Höhenlage, die nach dem Start eingenommen würde. So suchten die 13 Teilnehmer schon in der Nacht die schnellste Luftschicht und legten damit bereits zu Beginn der Wettfahrt ihre späteren Landegebiete fest, die sich über ganz Ungarn, von der rumänischen bis hin zur österreichischen Grenze verteilen sollten. Als ein besonderes Naturereignis konnten die Ballonfahrer in der mondlosen Nacht den Kometen Hale Bob beobachten.
Auf 22 Stunden begrenzte Weitfahrt Nachtstart in Bitterfeld am 2. Mai 1997 ab 19.00 UTC
Rang | Ballon | Pilot/Copilot | Landeort | F.-Zeit Std. | Entfernung km |
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1 | D-OLIB | Schmöhl / Göhrmann | Ketegyhaza / Ung. | 15:47 | 860 |
2 | D-OCKM | Kröger/Missel | Oroshaza/Ung. | 15:30 | 839 |
3 | D-Columbus | Brachtendorf / Wittmann | Bekes / Ung. | 18:15 | 836 |
4 | D-OLPP | Bombik/Weisser | Kistelek/Ung. | 15:55 | 798 |
5 | D-OSTZ | Munz / Geiselbrecht | Kistelek/Ung. | 15:04 | 784 |
6 | HB-BZV | Spenger/ Imstepf(CH) | Szigetvar/Ung. | 19:08 | 742 |
7 | D-OMPB | Menger/Beermann | Heves/Ung. | 13:27 | 730 |
8 | D-OUEE | Höhl / Oberseider | Hensce/Ung. | 16:10 | 719 |
9 | D-OCFT | Najer/Sutter(CH) | Hatvan/Ung. | 14:00 | 701 |
10 | D-Rolinck | Nieland / Derks | Tura / Ung. | 13:25 | 694 |
11 | D-Warsteiner II | Sjuts/König | Hranice/TS | 9:26 | 455 |
12 | D-OWML | Deusch/Völker | Zlin/TS | 9:30 | 448 |
13 | D-Alb | Euskirchen / Bader | Sumperk/TS | 8:56 | 380 |
Die Bitterfelder Crew (Schmöhl, Göhrmann, Gadir) hatte den von allen gesuchten low level jet am besten gefunden. Mit Geschwindigkeiten von bis zu 80 km/h verlief ihre Fahrt, in einem großen südöstlichen Bogen an allen Wettbewerbern vorbei, entlang des Kammes der Sudeten bis nach Ostrava (Ostrau), über die Niedere Tatra und die Matra hinweg, hinein in die Tiefebene der Theiß. Sie landeten südlich von Bekescsaba an der rumänisch-ungarischen Grenze. Die rumänische Großstadt Arad war schon in Sicht. Mit einer Fahrtstrecke von 910 km (Luftlinie 860 km) in nur 15:47 Stunden war es die weiteste und zugleich auch die schnellste Fahrt aller Teilnehmer und damit der erste Bitterfelder Sieg in einer Richard-Schütze-Wettfahrt. Das gesetzte zeitliche Limit von 22 Stunden konnte nicht ausgeschöpft werden, und Ballast war noch reichlich vorhanden; was fehlte war die Freigabe zur Einfahrt in den rumänischen und jugoslawischen Luftraum, die der BiVfL zuvor nicht erwirken konnte.
An Bord des D-OLIB wurden drei nahezu gleich verlaufene Fahrten ab Bitterfeld aus dem Jahre 1912 in Erinnerung gebracht:
4./5. April 1912, Ballon Berlin, Pilot Ltn. Adolf Stein: Die Fahrt wurde nach 24 Stunden und 898 km abgebrochen. Die damalige Notation dazu lautete: … Fahrt wurde mit 32 Sack Ballast an Bord auf Wunsch eines Passagiers in der Gegend von Arad abgebrochen. Wir haben noch Sand bis Konstantinopel! 7./8. April 1912: Die beiden Ballone des BiVfL Bitterfeld l (820 cbm), Pilot war Ing. Hans Gericke und Bitterfeld ll (630 cbm), Pilot Carl Richard Mann erreichten nach über 20 Stunden Arad bzw. die damalige ungarisch-rumänische Grenze.
Auf Anfrage des Sponsors Linde nahm ein Bitterfelder Team am 15. und 16. Juli mit dem Linde Ballon an der Eröffnung eines Golfplatzes bei Corvara im Abteital (1700 Meter ü. N.N., in der Nähe von Cortina d’Ampezzo) teil. Die Gasversorgung für zwei Ballonaufrüstungen übernahm Linde – Österreich. Der Ballon blieb für die zahlreich angereisten Prominenten dekoratives Beiwerk. Aufgrund des starken Windes und der Hochgebirgsthermik war an einen Start nicht zu denken. Für die Bitterfelder war jedoch die grandiose Landschaft und das auserlesene Ambiente der Golfplatzeröffnung eine entsprechende Entschädigung für die weite Anreise.
Ende Juli fand das 4. Bitterfelder Jugendlager in Renneritz unter Leitung des Vereinsmitgliedes Yousif Gadir statt. Etwa 35 junge Leute zwischen 14 und 30 Jahren, darunter 7 Betreuer und 3 Piloten, hatten in einer Woche die Gelegenheit zu 10 Heißluft- und 3 Gasballonstarts ab Renneritz bzw. Bitterfeld. Die jungen Ballonfahrer nutzten außerdem die Möglichkeit, in Segelflugzeugen des Segelflugvereins Wolfen mitzufliegen.
Das zweite große Ballonsportereignis des Jahres ’97 sollte der 2. Linde-Cup werden, der nach einer Pause im Jahr 1996, am 18. Oktober, wieder stattfand. Für alle unvorhersehbar hatte die Wettfahrt jedoch einen tragischen Ausgang. Bei schönstem Herbstwetter waren 9 Mannschaften an den Start gegangen. Die gute Vorbereitung, die fröhliche und gelöste Stimmung beim Start und die Freude auf einen anspruchsvollen Wettbewerb gerieten schon mittags in Vergessenheit.
Die Nachricht vom Absturz des Ballons D-Ruhrpott mit den Piloten vom Ballonclub Westfalen-Marl, Maria und Hermann Wellekötter und zwei weiteren Mitfahrern, erreichte die Wettfahrtteilnehmer noch in der Luft. Die Wettfahrt wurde sofort abgebrochen. Das Unglück ereignete sich bei Kienberg, in der Nähe von Nauen.
Als Ursache46), die bisher nicht restlos aufgeklärt wurde, ist eine zu große Annäherung an eine erst kurz zuvor in Betrieb genommene, sehr leistungsstarke Kurzwellen- Sendeanlage und dem Einfluss extremer elektromagnetischer Felder auf den Ballon zu vermuten. Der tragische Tod der vier Besatzungsmitglieder erschütterte die gesamte Ballonfahrergemeinschaft schwer.
Auch 1997 wurde der Ausbau des Ballonstartplatzes fortgesetzt. Nunmehr ist der Bitterfelder Startplatz mit einem Elektro-, Wasser-, Abwasser- und Telefonanschluss komplettiert und kaum noch zu verbessern. Enttäuschend ist die bislang zu geringe Auslastung auch durch Ballonfahrer anderer Vereine. Vom Startplatz Bitterfeld aus erfolgten 1997 etwa 50 Gasballonaufstiege, über 30 davon allein durch den BiVfL mit dem Vereinsballon D-OLIB.47)