Eine Statistik über die ballonfahrerischen Ereignisse 1939 in Bitterfeld ist nicht bekannt. Obwohl am 18. Februar eigentlich das 30-jährige Bestehen der organisierten Ballonfahrt in Bitterfeld hätte gefeiert werden müssen und die Aktivitäten in den letzten Jahren zugenommen hatten, fand dieses Ereignis keine Würdigung in einer entsprechenden Festschrift. Als Höhepunkte für dieses Jahr seien genannt:
Bis zum Beginn des 2. Weltkrieges erfolgten von Bitterfeld aus fast 3.000 Aufstiege mit über 10.000 Personen. Damit hielt Bitterfeld den Rekord in der Anzahl der Freiballonaufstiege in Deutschland. Mit Kriegsbeginn wurde die Ballonfahrt eingestellt. Mitglieder des ehemaligen Bitterfelder VfL wurden z. T. zur Sperrballonabteilung nach Bad Saarow eingezogen. Auf dem Bitterfelder Ballonplatz erfolgten noch einige Aufstiege von Wetterballonen zu militärischen Zwecken. Auch Sperrballone mit motorisierten Gondeln waren zu sehen. In der tiefliegenden Halle baute die Flieger-HJ weiterhin Segelflugzeuge, z.B. vom Typ SG 38. Nach der Einberufung von Hermann Piltz führte Richard Schütze bis Kriegsende den NSFK Sturm. Die Freiballone wurden am Ballonplatz eingelagert und nach Kriegsende bei Plünderungsaktionen zerschnitten und gestohlen, der Ballonplatz mit seinen Nebenanlagen bis 1948 zerstört. Während der Freiballonsport in der Bundesrepublik ab 1951 wieder ausgeübt werden konnte, wurde er im Gebiet der damaligen DDR nicht gestattet und auch der Bitterfelder Verein für Luftfahrt nicht wieder belebt.
Bitterfeld verdankt seine hervorragende Bedeutung unter den deutschen Ballonaufstiegsplätzen in erster Linie der hier ansässigen chemischen Industrie, speziell den von Dr. Walther Rathenau gegründeten Elektrochemischen Werken (später: Elektron Werk ll). Hier wurde der für die Ballon- und Luftschifffahrt notwendige Wasserstoff in großen Mengen preiswert elektrolytisch erzeugt. Die 1904 zu dem in unmittelbarer Nähe vorhandenen Ballonaufstiegsplatz unterirdisch verlegte Wasserstoffleitung sowie die vorhandene Wasserstoffkompressionsanlage erleichterten die Ballonfüllung. Ab 1908 entstand neben dem Ballonplatz die Parsevalluftschiffwerft. Hier gab es genügend sachkundige und luftfahrtbegeisterte Mitarbeiter. Als am 18. Februar 1909 das erste in Bitterfeld gebaute Parsevalluftschiff seine erste Fahrt unternahm, kumulierte die Begeisterung in der Gründung des Bitterfelder Luftfahrtvereins. Diese Vereinsgründung stellte für eine so kleine Stadt wie Bitterfeld (14.223 Einwohner) und zu diesem Zeitpunkt, als die Luftfahrt in Deutschland noch in den Anfängen war, ein sehr progressives Unternehmen dar. Im Gründungsjahr erfolgten bereits 28 Vereinsfahrten, bei denen 23.111 m³ Wasserstoff verbraucht wurden. Als 1910 der erste 3000 m³ fassende Gasometer fertiggestellt wurde, konnte die Ballonfüllung wesentlich verkürzt werden (ca. 30 Min./Ballon). Die erfolgreiche Ausrichtung der ersten großen Ballonwettfahrt in Deutschland für mit Wasserstoff gefüllte Ballone am 25. September 1910 durch den Bitterfelder Verein bewirkte, dass nun auch die großen Luftfahrtvereine die Bitterfelder anerkannten, die von diesem Zeitpunkt an tonangebend im deutschen Freiballonsport mitwirkten. Hierzu trugen auch die von Bitterfeld vor dem 1. Weltkrieg ausgehenden Weltrekordfahrten von Hugo Kaulen (87 Std., 2800 km) und Hans Berliner (47 1/2 Std., 3050 km) bei.
Nach dem 1. Weltkrieg profitierte der Bitterfelder VfL von den Einrichtungen der Parsevalluftschiffwerft, die nach Seddin in Pommern umsiedelte. Die zentrale geographische Lage – Koordinaten des Startplatzes: 12° 20′ ö.L. und 51° 37,5′ n.Br., Höhe über NN 77 m – in dem nach dem 1. Weltkrieg verkleinerten Deutschland stärkten die Bitterfelder Position. Viele Ballonführer, insbesondere aus dem Berliner- und Sächsischen Raum, hatten im Bitterfelder VfL ihre Zweitmitgliedschaft. Zu den Bitterfeldern zu gehören war eine Ehre.
Die Ballonfahrten dienten nicht nur sportlichen Zwecken, auch wissenschaftliche Untersuchungen wurden durch Bitterfelder Ballonführer seit 1910 unterstützt. So erreichte Richard Schütze am 16. Juni 1933 eine Höhe von 9120 m im offenen Ballonkorb. Wertvolle Resultate wurden hierbei erzielt. Mit der Anzahl der Freiballonaufstiege führten die Bitterfelder nach dem 1. Weltkrieg bis 1939 in der Statistik des deutschen Freiballonsports. Auch Leuchtgasaufstiege waren hier möglich. Es bestand am Ballonplatz eine Füllmöglichkeit (350 m³/Std.). 1931 wurden z.B. noch 4 Freiballonaufstiege mit Leuchtgasfüllung durchgeführt.
Zahlreiche nationale Ballonwettfahrten wurden von Bitterfeld aus gestartet und Bitterfelder Ballonfahrer nahmen mehrmals am internationalen Gordon-Bennett-Wettbewerb teil. Als besonders verdiente und bekannte Bitterfelder Ballonführer seien stellvertretend hier genannt: Bauer, Drechsler, Dr. Giese, Göhrmann, Jeserich, Liebig, Mann, Petschow, Piltz, Schubert, Schütze, Seidler, Solms, Stelling, Stüber, Weymann und Dr. Zinner. Als verdiente Ballonmeister seien Pacholke und Schöbe erwähnt. Das Vereinsleben fand außerhalb des Ballonplatzes, an der Parsevalstraße zu den Stammtischen, in den Vereinslokalen Hotel Döring, Kaiserhof und Bahnhofshotel statt.
Leider war die Darstellung der Vereinschronik, insbesondere der Jahre 1933 -1939, nur lückenhaft möglich, da Vereinsunterlagen nicht mehr existieren und auch ehemalige Bitterfelder Ballonfahrer ihre persönlichen Unterlagen diesen Zeitraum betreffend, in der Nachkriegszeit oftmals vernichtet haben.1)